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Aktuelle Zeit: 27.12.2024, 08:00:30





 Subalternität


Spitzenmitglied



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Subalternität (von lat. subaltern von niedrigerem Rang) ist ein sozial-
und kulturwissenschaftlicher Begriff, den Antonio Gramsci zur Beschrei-
bung gesellschaftlicher Gruppen geprägt hat, denen der Zugang zu he-
gemonialen Teilen der Gesellschaft verschlossen ist und die nur geringe
Mittel besitzen, sich politisch öffentlich bemerkbar zu machen.


Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Subaltern

::::::::::::::::::::::::::::::::::::::

Paddy Ladd hat in seinem Buch "Understanding Deaf Culture: In Search
of Deafhood" (Taubenkultur verstehen: Auf die Suche nach Taubsein)
einen Zusammenhang zwischen diesem Begriff und der Taubengemein-
schaft erläutert. Der Begriff wird in drei Bereichen kategorisiert:

    # Die tauben Menschen, denen der Zugang zu hegemonialen (Hegemonie
    = Vorherrschaft, Vormachtstellung) Teilen der Gesellschaft verschlossen
    ist und die nur geringe Mittel besitzen
    (z.B. der deutschen und englisch-
    en Sprache ohnmächtig), sich politisch öffentlich bemerkbar zu machen,
    sind "subaltern".

    # Die tauben Menschen, die aber durch die gute Bildung den Zugang zu
    hegemonialen Teilen der Gesellschaft haben und sich politisch öffentlich
    bemerkbar machen können, sind "subaltern-elite".

    # Wenn sie aber wie in früherer Zeit von Kolonialisten, Oralisten und Au-
    disten auserwählt, weil sie sich z.B. stimmhaft ausdrücken können, sind
    sie "elite-subaltern".
Ella Mae Lentz sprach in ihrem Blog ein Video dieses Thema in ASL an.
Ihr könnt es ansehen!

Dieser Begriff war mir ganz neu und wurde seit einer Woche von zwei
verschiedenen Referenten angesprochen.



Rote Karte!
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@bengie,
die Gehörlosen und die Tauben bekommen von hörende Paddy Ladd
"Munition" für weitere "Machtansprüche" gegen die Hörenden. ;-)

Paddy Ladd / Harlan Lane / Baumann ... , alles USA-Hörende!!! sind die Ratgeber / die Einflüsterer / Impulsgeber für die Deaf-Power. ;-)

Das ist ein Startschuss zum "Rodeo" wie bei den Themen Audismus und Deaf-Gain, und da waren die Tauben gar nicht sattelfest.

Google -> Diskurs:
Jürgen Habermas bezeichnet in seiner Theorie des kommunikativen Handelns den Diskurs als Prozess einer Aushandlung von individuellen Geltungsansprüchen der einzelnen Akteure (bei Habermas auch als "Aktoren" bezeichnet). Ein Merkmal der Sprache ist dabei nach Habermas die ihr innewohnende Rationalität. Die Ergebnisse einer Kommunikation – wenn sie frei ist von Verzerrungen durch Macht oder Hierarchien – sind ihm zufolge zwangsläufig rational. Als Ideal, als beste Versicherung für wahrhaftige Erkenntnisse, sieht er somit den "herrschaftsfreien Diskurs" - aufgebaut auf Diskursnormen (Prinzipielle Gleichheit der Teilnehmer, Prinzipielle Problematisierbarkeit aller Themen und Meinungen, Prinzipielle Unausgeschlossenheit des Publikums) und authentischen Gefühlen. Die dadurch erreichte kommunikative Realität soll das beste Argument zum Gewinn bringen - auf welches weiter aufgebaut werden kann.

Viel Spass beim neuen "Elite-/Subaltern-/Elite"-Diskurs-Rodeo.
--



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Bengie, es ist ein interessantes Vlog von Ella Lentz über Subaltern! Auch die interessanten Kommentare zu ihrem Vlog in Englisch sind zu lesen!

Ich empfehle auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Postkolonialismus
Paddy Ladd hat im Vortrag in Heidelberg 2004 über die Problematiken der Schwarzen in Afrika erläutert. In England ist überhaupt die Post Colonial Studies verbreitet, nicht hier in Deutschland. Deswegen auch die Begriffe Kolonisierung und Dekolonisierung im Buch von Ladd. Wenn jemand in Heidelberg da war, kann sich sicher gut daran erinnern.

Ich füge zum besseren Verständnis hinzu, was Ella in ASL erläutert hat:
Die Elite-Subaltern können sich gut im Sprechen und Schreiben ausdrücken, und interessieren sich für die Beherrschung der Gebärdensprache nicht richtig. Das ist im Zeitalter des Kolonialismus, etwa seit 1880, gefördert worden, ohne die Gebärdensprache im Bildungsprozess. Wenn die Subaltern die Gebärdensprache oder sich für die Rechte der tauben Menschen einsetzen wollen, werden sie schnell von den Elite-Subaltern abgelehnt, die Subalterns bleiben ohnmächtig. Das war auch bei uns so bis etwa 1990.

Die Subaltern-Elite gibt es seit der Forschung der Gebärdensprache, im Prozess der Dekolonisierung, bei uns etwa seit 1980. Sie können sich mit der Förderung besser entwickeln, auch im Deutsch! Aufgrund den Arbeiten in den Gebärdensprachinstituten, als Gebärdensprachdozenten, den Gehörlosenschulen usw. Sie fühlen sich jedoch mit den Subalterns verbunden und wollen sich mehr für sie einsetzen.
Deswegen kommt es zu Streitigkeiten zwischen den Elite-Subaltern und Subaltern-Elite innerhalb der Gl-Gemeinschaft, wenn es um die Rechte der tauben Menschen geht. So ist es im insgesamt von Lentz, und auch über Ladd, gemeint. Deswegen soll der Kollektivismus, oder die kollektive Identität, zu fördern sein, wie Ladd in Heidelberg immer wieder gebärdet hat. Es gibt ja ein Video zu seinem Vortrag zu bestellen.

Yak: eine Bemerkung zum Diskurs von Habermas: Der Diskurs soll von Restriktion frei sein, also es werden die Argumente miteinander auf den Prinzipien der Gleichberechtigung ausgetauscht, indem man die andere Seite anerkennt, was die anderen zu sagen haben. Die besseren Argumente setzen sich schliesslich durch. So können wir eigentlich in Gebärdensprache besser diskutieren, nicht im Deutsch, weil die Subalterns schwerlich an den Diskussionen im Deutsch beteiligt sind.



Rote Karte!
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@bengie,
zu deiner "Subalternität" , Yak ist neugierig geworden -außerhalb von
Allwissend-Wikipedia- fündig geworden, hier ein Beispiel:

http://www.diadiss.net/diadiss/index.ph ... &Itemid=74

und als PdF-Datei:

http://www.diadiss.net/diadiss/index2.p ... df=1&id=13

(...)
Der Subalterne von heute, der Untertänige, der Unterstellte nach oben und das markierende Alphatierchen nach unten, diese Mischung aus Kleinmütigkeit und Unempfindlichkeit, des Mitmachens und Mitdenkens, Vertreter des Mürrischen oder lackierten Freundlichkeit, des Beobachtens und Hypochondrischens, nahe der Selbsterhöhung und der Depression, wird krank durch Selbstverachtung. Seine Kleinlichkeit und sein Selbsthass wenden sich rachgierig gegen Untergebene und wollüstige Selbstgeisselung angesichts seines Chefs. (...)

Das ist so bei den Hörenden, bei den Gehörlosen ist es nicht anders.

Aber warum eifern ihnen viele nach, die nicht die Vorteile davon genießen und ganz andere Interessen haben?


Paddy Ladd (USA) macht
eine Begriffs-Überdrehung, die für die Gehörlosen nicht vorteilhaft ist.

--



Spitzenmitglied



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@Yak,

da sieht man wie vorschnell du spekulierst ohne vorher Fakten zu einer
Person einzuholen. Paddy Ladd kommt nicht aus den USA, sondern aus UK.
Und auch ist er nicht hörend, sondern taub.


--
Wir sind die Mundfaulen. Na und? :D



Spitzenmitglied



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Yak, was Jürgen Habermas geschrieben hat, ist interessant.
"Herrschaftsfreier Diskurs" bedeutet auch, in Diskussionen sollte
jeder seine ehrliche Meinung zur Sache sagen und nicht nur
was in eine bestimmte Ideologie passt.

Voghel, Elite-Subaltern und Subaltern-Elite ist problematisch!
Damit kann wieder mal die Gl-Gemeinschaft gespalten werden!
Die einzelnen "Elite-Personen" kann man nur selten genau in eine
der beiden Definitionen einordnen.
Bei den Subaltern-Elite seit ca 1980 gibt es leider einige Leute
die so gut wie nichts für die subaltern getan haben und bei den
Elite-Subaltern gibt es viele, die haben seit über vierzig Jahren
einiges für die subaltern bewirkt!



Rote Karte!
Rote Karte!



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@ Lubko und Voghel,
Yak wusste net dass Ladd taub ist, hab früher Name nur vom Buch.
Er bewegt sich in den akademischen Hoch-Sphären.
Die "dem Volk aufs Maul schauen" - Texte waren es net.
Darum gleich vergessen.

Er ist ein "Angelsachse" pur ist praktisch USA-like.

Elite-Subaltern / Subaltern-Elite ... das ist die Mixtur im Umfeld.
Bei den Gehörlosen müssen zur KLAREN Unterscheidung Wortzusätze
und sauber klare Erläuterungen (die deutschen Wörter) beigefügt werden.

Nur 0,01 Promille der tb. Leute hätten sicher keine Probleme mit dem Auseinanderhalten. ;-)

Audismus - Autismus -- leicht verwechselbar

Subaltern - (Hochaltern???) -- Gegenwort?
Schwere Kopfnüsse für das Gehörlosen-Subaltern-Volk - Tauben-Subaltern-Volk. ;-)

Die Gehörlosen-Subaltern würden gebärden:
Mache keine Sperenzchen! [ugs.]
Don't give any trouble!

http://www.redensarten-index.de/suche.p ... 5D=rart_ou

Sperenzchen = Ausflüchte; Schwierigkeiten; Widerspruch; Umstände
/ ;-)
--



Spitzenmitglied



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Hier heisst "Diskurs" mehr als was Habermaas mit Gespraech unter gleichberechtigten Gespraechspartnern meint. Herrschaftsfreiheit gibt es nicht. Es betrifft, wie die Machtlosen mit Maechtigeren in ein Gesprach treten koennen. In einer ungleichen Gesellschaft, wie die meisten ja auch sind, gewaehren allein die Maechtigeren was die Machtlosen bekommen. Es wird immer ein "Nachgeben" von den Maechtigeren sein, wenn das geschieht, sonst kommen moeglicherweise beim Nichtgewaehren eine Rebellion oder wirtschaftliche Nachteile.

Unsere Diskursohnmacht kann ein Beispiel aus unserer Welt illustrieren: unser Verlangen nach UT und GS im Fernsehen. Nur Hoerende haben die Macht im Fernsehen inne. Wir haben den Fernsehherren schon lange, schon in den fruehen 80er Jahren, UT und GS gefordert mit Unterschriftensammlung von einer halben Million von dem Heidelberger TOL Juergens und DGB und unzaehligen Briefen. Presse, Politiker und Gesellschaft fanden unser Problem uninteressant und unwichtig und die Fernsehherren fuehlen nicht von uns "bedroht". So wir hatten einen Diskurs mit echten Gehoerlosen (das bedeutet diejenigen, die kein Gehoer schenken wollten) gefuehrt. Wir wussten leider auch nicht, wie wir einen Diskurs mit den Maechtigeren erfolgreich fuehren koennen.

Das mit "elite-subaltern" und "subaltern-elite" bestaetigt nur was wir schon immer wussten. Verschiedene subalterne Gruppen haben dafuer schon verschiedene Epithets (= veraechtliche Woerter) zur Verfuegung. Man kann in diesem Cafe schon erkennen, wem eine oder andere Bezeichnung passt. (CharlyBrown, keine Sorge, dass dabei eine "Spaltung" entstehen wuerde. Das Evaluieren einer Person nach einer bestimmten Qualitaet geschieht immer und ueberall, leider)


Hartmut




 Subalternität





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