Hier moechte ich noch meinen vorigen Beitrag ergaenzen.
Jetzt noch verstehen wikipedia, Sebastian Schick und viele andere das Gebiet der "non-verbalen" Ausdrucksmittel noch verschwommen. Was ich hier zu zeigen versuche, moechte ich das Gebiet differenziert darstellen. Das Gebiet ist noch neu in der Wissenschaft. Ich moechte dafuer keine makaberen Wortschoepfungen erstellen, sondern althergebrachte Woerter mit begrenzten Bedeutungen benutzen. Jemand wird sicher den wikipedia Artikel mit neuen Erkenntnissen ergaenzen und die Bedeutungen der Fachbegriffe besser differenzieren.
2008 fand eine wissenschaftliche internationale Fachtagung im Bereich "Gestik/Mimik" in Bamberg (das ist meine Stadt!) statt, wo auch Prof. Christian Rathmann und andere taube Wissenschaftler teilnahmen. Dort wird aufgezeigt, wie die nichtsprachliche Mimik und Gestik in den Gebaerdensprachen tauber und hoerender Menschen allmaehlich versprachlicht und lexikalisiert (= wie Zeichen zu bestaendigen Woertern geworden sind) werden. Sogar in der primitiven Zeigefingergeste wird zwischen der vorsprachlichen und sprachlichen (grammatischen) Anwendungen unterschieden. Forschungen von Prof. Virginia Volterra (Italien) und anderen haben die Wichtigkeit dieses Unterschieds aufgezeigt, wie die sprachliche Entwicklung bei tauben Kindern anhand dieser Zeigefingergeste verlaeuft. Volterra fand heraus, dass taube Kleinkinder den Unterschied zwischen den beiden schon frueh kennen und die Geste grammatisch gebrauchen, waehrend italienische hoerende Kinder sie weiter nur vorsprachlich benutzen. Die Tuerschwelle zur Sprache mit Gebaerden wird hiermit bei tauben Kindern beschritten!
Auch die Gesichtsausdruecke werden funktionell (= wozu werden sie gebraucht) als nonsprachlich, vorsprachlich und sprachlich unterschieden, genauso wie gemacht mit Haenden und anderen Koerperteilen. Also verlaeuft die Versprachlichung des Non-Verbalen in dem folgenden Formel: (==> bedeutet "entwickelt sich zur")
Mimik (mit Koerper, Haenden und Gesicht als kompakter Einheit, nachahmend)
==> Gestik (Beginn von wiederkehrenden Hand-, Oberkoerper- und Gesichtsbewegungen, wortaehnlich gebraucht, nicht mehr stark nachahmend, Entstehung einzelner konventionellen (= gar nicht nachahmend, willkuerlich geformten Gesten wie
)
==> Gebaerdensprache mit Lexikon, Morphologie (Wortbestandteile), Grammatik und Semantik (= Bedeutungsanalysis) sowie auch Pragmatik (= Analysis von Gebrauch der Sprache) und Diskursstruktur (= Analysis von Aufbau der Saetze zu einem Text, "Denkstruktur")
oder zusammenfassend:
Mimik ==> Gestik ==> Gebaerdensprache
Dabei ist es manchmal unwesentlich, ob Mimik und Gestik sprachbegleitend oder sprachersetzend sind. Sie koennen im Kommunikationsfluss gleichzeitig mit dem Gebaerden oder Sprechen eingesetzt werden oder ganz alleinstehend sein - auch bei Hoerenden. Dies muss nicht immer sprachersetzend vorkommen. (Marcel Marceu oder unser Jomi machen ihre Pantomime gar nicht sprachersetzend! Sie machen nur kuenstlerische Mimik, nichts anders.)
Daher ist es wichtig, dass nicht alles auf Gestik und Mimik zusammen gedroschen wird, wodurch bestimmte linguistische, sprachpsychologische und kommunikationswissenschaftliche Erkenntnisse dann verloren gehen wuerden. Es spielt daher funktionell keine Rolle,
wo am Koerper gemacht wird, sondern
wozu und
wie es gemacht wird. Wenn noetig nur auf Gesicht beschraenkt, dann benutze einschraenkend: Gesichtsmimik oder Gesichtsgestik, je nach wo in der Sprachgenesis (= geschichtliche Entwicklung einer Sprache) sie steht. Wenn man nicht weiss, wo in der Sprachgenesis sie steht, gebrauch neutralerweise "Gesichtsausdruck", wie ich vorhin gesagt habe.
DGS, wie jede GS, hat auch bestimmte Gesichtsausdruecke, die nur in DGS vorkommen und nicht in der Mimik und Gestik der Hoerenden vorkommen. Dies zeigt, das Gesicht kann auch mimisch, gestisch, und sprachlich ausdruecken.
Calva, katie, hoffentlich hilft euch dieser Essay klarzustellen, was im Bedeutungskomplex von nonverbaler Kommunikation vor sich geht. :-)
Fazit: vertrau nicht alles was in wikipedia und anderen Enzyklopaedien in Sachen neuer fuer viele noch unbekannten Gebieten und auch nicht Schick, die er noch unvollkommen kennt!