Charly hat geschrieben:
Eigentlich habe ich erwartet, das möglichst viele Leute hier einfach ihre
ganz persönlichen Gedanken zu Taubsein schreiben.
Ein vernünftiger Ansatz. Ich beginne dann mal. Wenn alle mitmachen ohne es groß zu zerreden bekommen wir vielleicht endlich mal ein konkretes Bild vom großen Ganzen und werden merken wie riesig die individuellen Unterschiede sind. Und vorab: Solche persönlichen Meinungen sind eh nicht wirklich diskussionsfähig es macht also keinen Sinn sie zu kritisieren, denn sie sind halt "persönlich" und dienen nur als (geschmacklich individueller) Tropfen für die große Suppe die sich hier abzeichnet. Viele Tropfen ergeben aber letztendlich die Konsistenz und Masse die man braucht um die Suppe zu geniessen bzw zu charakterisieren.
1.) History (Ist wichtig für den groben Überblick)
43,
ertaubt mit 15, davor normal hörend
2.) Gedanken zum Taubsein
Ich empfinde das Taubsein ersteinmal als Belastung im Alltag weil es mir den Zugang zu Menschen, Dingen und last but not least Musik erschwert hat.
Ich empfinde Taubsein aber auch als Herausforderung da es mir Perspektiven eröffnet hat die mir sonst wahrscheinlich verschlossen geblieben wären. Taubsein als Inspiration wäre vielleicht etwas zu hoch gegriffen, aber Taubsein als Mittel gegen die eigene Oberflächlichkeit. Das würde es vielleicht treffen. Will heissen: Man lernt sich besser kennen.
3.) Kultur und Sprache
Ich habe keine intensive Verbindung zur GL-Kultur, tlw. aber intensive Verbindungen zu einzelnen GL. Ich benutze Lautsprache wann immer es geht, gerne aber mit begleitenden Gebärden, denn das vereinfacht vieles.
Mental fühle ich mich aber eher den HD zugehörig, 15 Jahre waren da einfach zu prägend.
4.) Akzeptanz (nach innen)
Ich weine nicht den ganzen Tag meinem Gehör nach
ich habe mich durchaus sehr gut damit engagiert und habe weder beruflich noch privat wesentliche Nachteile.
Echte (innere) Akzeptanz ist aber schwierig. Deshalb habe ich auch seit kurzem ein CI. Und das (wenn auch bisher noch rudimentäre) "Wiederhören" setzt Emotionen frei die mir zeigen das ich doch etwas vermisst habe.
5.) Akzeptanz (nach aussen)
Mir ist völlig egal ob jemand GL, SH, CI-SH, oder HD ist. Solange ich mich mit ihm/ihr gut unterhalten kann und auch mental alles passt.
Ich hasse Extremismus und Fundamentalismus in allen Bereichen, auch beim Taubsein, CI-Haben, HD-Sein. Ich habe zwar eine Meinung zu dem Thema, aber ich versuche offen zu sein, auch wenn das nicht immer einfach ist. Auch dieses Forum hier hilft enorm andere Sichtweiten zu begreifen und zu verinnerlichen bzw. zumindest zu akzeptieren.
6.) "Gottesgeschenk"
Ich empfinde die Taubheit sicher nicht als Gottesgeschenk. Aber wie oben gesagt es hat ein paar positive Seiten, das Leben was man lebt ist vielschichtiger. Schwierigkeiten zu umschiffen kann durchaus spannend sein. Aber eben nicht nur! Es gibt auch viele negative Aspekte. Manchmal zu viele. All diese Empfindungen haben eigentlich nichts mit dem Taubsein zu tun sondern einfach mit der Tatsache konfrontiert worden zu sein mit einem Einschnitt der prägend wirkt. Das könnte auch ganz etwas anderes sein, nämlich Verlust+Trauer, Krankheit,Blindheit, Rollstuhl und ähnliches!
Ich empfände es allerdings als Gottesgeschenk wenn ich morgen früh hörend aufwache! Und aus diesem Grund kann ich zumindest nachvollziehen das Menschen denen die Taubheit das bedeutet was mir als Spätie das Hören bedeutet diesen Ausdruck für sich selber wählen möchten. Es ist ok! Aber eben nicht allgemeingültig sondern nur ganz spezifisch.
Late