Hartmut Teubers Tauben (Deaf)-Paradies USA, die Kehrseite der USA.
26.10.2009
http://www.spiegel.de/kultur/tv/0,1518,656310,00.htmlDie USA haben den Bogen überspannt"
SPIEGEL ONLINE: Mr. Simon, Sie waren von 1983 bis 1995 Polizeireporter bei der "Baltimore Sun".
Wie hat das Ihre TV-Serie "The Wire" beeinflusst?
David Simon: Ich habe viel in den Sozialprojekten von Baltimore gearbeitet und
fast zwei Jahrzehnte lang über die Stadt berichtet.
Diese Erfahrungen haben mich geprägt. Ich hatte das Gefühl, auf eine Katastrophe zu blicken.
International werden US-amerikanische Städte gern mit New York, Los Angeles oder
Las Vegas repräsentiert,
aber daneben, in der zweiten Reihe,
gibt es lauter Städte,
die schwer zu kämpfen haben mit der post-industriellen Wirtschaftsordnung.
Es geht bei "The Wire" nicht nur um Kriminalität,
sondern um Politik, das Schulsystem, Rassenspannungen.
SPIEGEL ONLINE: Eine historische Bestandsaufnahme der US-Gesellschaft?
Wir versuchen, zu erklären, warum die Dinge sind, wie sie sind, und
warum sie eher schlechter
als besser zu werden scheinen.
SPIEGEL ONLINE: Warum, glauben Sie, ist das so?
Simon: Dank ungebremstem Kapitalismus.
Er ist eine brauchbare wirtschaftliche Kraft,
aber kein Rahmen für eine irgendwie gerechte oder zusammenhängende Gesellschaft.
Man hat ihn hier in den Staaten als soziales Instrument missverstanden.
Seit 1980 hat man in fast jedem Bereich der US-amerikanischen Gesellschaft
dem Kapitalismus gehuldigt
und erlaubt,
dass Profit das Maß aller Dinge ist –
ungeachtet der sozialen Kosten.
Die Banken, die Autoindustrie, die Zeitungsbranche sind
dem zum Opfer gefallen,
es gibt keine Industrie in den USA,
die nicht vom Streben nach unverzüglichem Profit ausgehöhlt wurde.
Dieses Streben hat das politische System so korrumpiert,
dass Reform unmöglich ist.
Aber wenn Profit nicht im Rahmen der gesellschaftlichen Gesundheit gemäßigt wird,
dann endet man in einem Szenario,
in dem ganze Klassen von
Menschen überflüssig werden
und sich eine eigene Existenz außerhalb der Gesellschaftsstrukturen schaffen –
im Drogenhandel zum Beispiel.
SPIEGEL ONLINE: Ihre Serie wirkt über weite Strecken wie eine Dokumentation.
Simon: Sie ist entstanden aus einem journalistischen Impuls.
Ich wollte einen Blick werfen auf die Staaten, auf unsere Kultur,
wohin wir uns bewegen, was unsere Probleme sind –
und warum wir nicht in der Lage sind,
sie zu identifizieren,
geschweige denn, sie zu lösen.
## Die Gallaudet-Absolventen können die USA-Probleme nicht lösen.
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