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Aktuelle Zeit: 28.12.2024, 00:29:51





 Diaspora


Spitzenmitglied



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Ihr könnt den Begriff "Diaspora" im Wikipedia nachlesen: Hier klicken!

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Hier beim Frontrunners (http://fr3.frontrunners.dk) wurde über den Zu-
sammenhang zwischen diesem Begriff und dem Leben der tauben Men-
schen diskutiert.

Zitat:
Der Begriff Diaspora bezeichnet seit dem späten 19. Jahrhundert hauptsächlich
religiöse oder ethnische Gruppen, die ihre traditionelle Heimat verlassen haben
und unter Andersdenkenden lebend über weite Teile der Welt verstreut sind.

Sie kann aber auch einfach eine Minderheitssituation vor allem einer
Religionsgruppe bezeichnen.

Die Tauben gehören einer ethnischen Minderheitsgruppe an, leben unter
Andersdenkenden wie Oralisten und Kolonialisten und sind über weite
Teile des Landes verstreut.

Wir können zum Beispiel mit Juden und Menschen aus Somalia ganz gut
identifizieren.

Brauchen wir solcher Begriff, um die Situation Tauber zu verstehen?



Mitglied



offline
Möglicherweise interessante Analogie.

Diaspora bezieht sich aber IMO eher auf die Situation von ethnischen oder religiösen Minderheiten die durch politische oder andere Umstände ins Exil gezwungen wurden. GL sind aber nirgendwohin "vertrieben" worden, sondern deren Minderheit ergibt sich aus einer physiologischen Andersartigkeit, entweder angeboren oder später erworben. So gesehen wären die mit der später erworbenen Taubheit noch eher analogisch passend, da hier zumindest mittelbar eine Art "Vertreibung" stattgefunden hat. Aber genau letztere passen andererseits überwiegend nicht in die Gruppe die wir als "GL" bezeichnen würden.

Zitat:
Die Tauben gehören einer ethnischen Minderheitsgruppe an, leben unter
Andersdenkenden wie Oralisten und Kolonialisten und sind über weite
Teile des Landes verstreut.


Frage: Was macht den Oralisten zum "Andersdenkenden" Menschen? Das er (anders) spricht?

Late


Anyway the wind blows...



Spitzenmitglied



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Taube Menschen sind eine weit verstreut lebende Minderheit.
Ähnlichkeit mit ethischen Minderheiten gibt es vieleicht.
Aber nicht mit religiösen Minderheiten!
Die grosse Mehrheit der Hörenden sind auch nicht "Andersdenkende".
Man sieht doch hier in den Foren, Film,Glamour, Allgemein usw
das Gehörlose überwiegend so Denken wie die Hörenden.
Gehörlose haben genauso unterschiedliche Meinungen und religiöse Vorstellungen und Interessen wie die Hörenden.
Gebärdensprache und die Schwierigkeiten in der hörenden Umwelt
sind die einzige Gemeinsamkeit.

Das die Hörenden lautsprachlich (oral) kommunizieren und
nicht wissen wie sie mit einem tauben Menschen umgehen sollen,
macht sie nicht zu Oralisten oder Kolonialisten.
Richtig ist nur, hörende PädagogenInnen und Mediziner haben
über hundert Jahre die Gebärdensprache unterdrückt und die
Erziehung tauber Kinder nur auf "gut sprechen" ausgerichtet.
Diese unvernünftigen "Fachleute" kann man als Oralisten
bezeichnen und ihre Geisteshaltung ähnelt Kolonialisten.

Also, ich denke, es bringt nichts für Gehörlose wenn man
sie mit ethischen oder religiösen Minderheiten vergleicht.
Und es bringt auch nichts hörende PädagogenInnen zu
"Oralisten und Kolonialisten" ernennen und als Feindbild
bekämpfen.
Das ist sogar gefährlich. Es hat immer nur Ärger und Probleme
gegeben, wenn irgendwelche Menschen mit diskriminierenden
Bezeichnungen belegt wurden um sie zu bekämpfen.

Grundsätzlich ist es immer besser FÜR etwas Gutes Kämpfen,
NICHT gegen etwas Schlechtes.
Das ist aber nicht meine Idee. Hab es kürzlich gelesen:
Mutter Theresa hat mal gesagt, sie würde nie an einer Demo
gegen Krieg teilnehmen, aber immer an Demo für Frieden.
Das hab ich zuerst nicht verstanden, dachte, es ist dasselbe.
Erst wenn man genau nachdenkt kommt man auf den grossen
Unterschied.



Mitglied



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Alles andere als stumm:
Krankheit oder Behinderung...
Es ist Gemeinschaft zu spüren, auch...
Juden nach der Zerstörung Jerusalems
in der Diaspora verstreut sind...

Quelle: www.kirchenbote.de


Due giovani soddisfare ogni altro, entrambi hanno vissuto la stessa:
la morte del suo grande amore...



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@ charlyBrown
du machst es mit deinen Beiträgen richtig spannend...in bezug auf die Zugehörigkeit unserer Gebärdensprach-Gemeinschaft zu ähnlichen Gruppierungen.
Du hast recht, dass unsere Gemeinschaft nicht in Betracht komme, mit religiösen Gruppen Vergleiche auf dieser Ebene zu berücksichtigen.

Es gibt keine begründete Annahme , uns mit denen etwas zu vergleichen.

Jedoch mit ethnischen Minderheiten, die erfolgreich , z.B. in Deutschland , durchgesetzt haben, ihre eigene Sprache und ihre kulturelle Besonderheit politisch in den Vordergrund zu stellen. ( Sorben in Sachsen und Dänen in Schleswig-Holstein)
Unsere Gebärdensprach-Gemeinschaft besteht nicht nur aus GL. Gebärdensprach-Kompetente Schwerhörige , Spätertaubte und Hörende ( vor allem CODA ) gehören von Anfang an dazu.
Warum wohl ? Sie haben mit uns Gl von Anfang an gekämpft, die DGS demonstrativ ( vor allem 1993) zu stärken und sie als Sprache unserer Minderheit zu erkämpfen.

Ich kann deine Auffassung nicht zustimmen, dass wir brav waren und ähnlich denken wie die Majorität. Wir denken nicht wie die Hörenden. So war es und ist es nicht.
Die beispielhafte Demo in Hamburg 1993 war einer der stärksten öffentlichkeitswirksamen Bewegungen in unserer Geschichte. Wir haben nicht gegen die Oralisten demonstriert, sondern unsere eigenen Belange mehr als deutlich dargestellt.

Daraus können wir entnehmen, dass es bei uns keine Feindbilder gegeben hat und historisch haben wir immer für die Gebärdensprache eingesetzt, insbesondere in schulischer Bildung, Berufsausbildung und Gebärdensprach-DolmetscherIn-Ausbildung.

Es sei als bemerkenswert anzusehen , dass nach Jahren der oralen Erziehung immer noch Klassentreffen stattfinden, die vor allem in der DGZ
zu beobachten sind. Es hängt damit zusammen, dass der Einfluß hörender LehrerInnen trotz fehlender Gebärdensprach-Beherrschung nach wie vor zur Erinnerung gehört, die eine verinnerlichte Akzetanz bei den meisten ehemaligen SchülerInnen ausübt.

Der Einfluß der hörenden Pädagogen auf unsere Kinder, SchülerInnen, Jugendlichen, Entlaß-SchülerInnen und Auszubildenden sei nach wie vor zu groß. Sogar gl Eltern der betroffenen Kinder/ SchülerInnen stehen unter Einfluß der hörenden PädagogInnen.
Erst mit dem Bewußtsein, dass gl Erwachsene für die SchülerInnen eine Art Vorbildfunktion ausüben, gäbe es große Chancen, junge Menschen in unsere Gemeinschaft
so früh wie möglich zu integrieren.
Au Revoir


Raus aus dem Schattendasein - Chancen suchen und sie nutzen !



Spitzenmitglied



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AvignonMan,
Dein Beitrag ist auch interessant.
Für Gebärdensprache habe ich schon vor über 40 Jahren
mit Hörenden gestritten, die glaubten, es ist primitiv und
die Gehörlosen sollen sprechen und Lippenlesen.

Was Du über Kampf um Anerkennung der DGS schreibst,
stimme ich zu.
Ähnlichkeit mit sprachlichen Minderheiten wie Dänen in Schleswig
und Sorben in Sachsen ist vorhanden wenn es um Anerkennung der
eigenen Sprache geht.
Aber die Unterschiede zwischen Gl-Gemeinschaft und hörenden
Minderheiten sind so groß, das es wenig Sinn hat, die Gl mit
ethischen Minderheiten vergleichen.
Der wichtigste Unterschied ist:
Jeder hörende Angehörige einer ethischen Minderheit kann
ungehindert mit den Angehörigen der Mehrheit dieselben Schulen
besuchen, denselben Beruf studieren usw.
Er muss nur deutsch lernen, wie jeder Ausländer der in
Deutschland studieren will.
Sorben oder Dänen in Schleswig bekommen zum Studium an
Deutschen Unis keinen Dolmetscher.

Im Prinzip sind Gehörlose eine Minderheit, die mit keiner anderen
vergleichbar ist. In der hörenden Berufswelt sind wir mehr benachteiligt
als die meisten Körperbehinderten. Aber Gl sind ganz anders und
haben andere Probleme als die Körperbehinderten.
Darum ist es auch zu einseitig, wenn man Gl nur als Behinderte
ansieht.
Ulrich Haase hat es mal gut ausgedrückt:
Gl sind sprachliche Minderheit UND behindert in der hörenden Welt.

Was Du gegen Klassentreffen der Gl hast, verstehe ich nicht ganz.
Du meinst, weil da auch immer die alten Klassenlehrer eingeladen sind,
stehen die Gl unter Einfluss dieser "Oralisten" die keine Gebärdensprache
können?
Eher ist es umgekehrt: Für manchen Lehrer ist es eine wichtige Erfahrung,
zu erleben, das sie in einer Gemeinschaft der "Behinderte" sind,
nichts verstehen, mehr oder wenig stumm dasitzen und nur zuschauen
wie die erwachsenen Gl lebhaft in Gebärdensprache unterhalten.

Du schreibst, keine Feindbilder aufbauen wollen.
Aber was Du über Klassentreffen schreibst, wirkt so als ob
die alten Klassenlehrer "Feinde" sind!?



Mitglied



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@Avignon
Ohne die hörenden Pädagogen könntest du wahrscheinlich noch nicht mal diesen Post hier lesen :D Sei froh das es hörende Lehrer gab die sich (auch um dich) kümmerten und dir somit einen Zugang zur Welt ermöglichten (Falls du GL aufgewachsen bist, ich kenne Dich ja nicht). Ausschließlich in deiner Minderheit lebend würdest du wahrscheinlich schnell versauern oder zumindest (finanziell) verarmen.

Die Demo von 1993 war ja ganz nett (Ich war dabei) aber das ist fast 15 Jahre her. Wenn das die größte gewesen sein soll, was kam dann danach? Kein Grund also deswegen gleich einen revolutionären Umbruch zu vermuten.
Ansonsten, ich finds ja gut wenn GL selbstbewusst auftreten. Solche Sachen wie der Bengie macht haben schon einen gewissen Reiz. Und ich bewundere diese Einstellung die zumindest vor 20 Jahren so noch nicht da war.
Aber das sollte man andererseits auch nicht überbewerten und gleich solche etwas (zum Selbstzweck?) gekünstelte Dramaturgien a la ethinschen Minderheiten inszenieren. Das ist irgendwie eine Etage zu hoch IMHO. Und ist dazu auch kontraproduktiv irgendwie, denn es setzt uns erst recht auf das Abstellgleis und erschwert den intrigativen Gedanken.

Wenn Du glaubst die Hörenden denken *wirklich anders* dann kennst Du sie vielleicht nicht gut genug? Laß dir gesagt sein, die Mehrheit hat kaum andere (individuelle)Gedanken wie jeder GL, nur das die Sprache eine andere ist und auch der Ausdruck derselben. Das hat aber mit dem Terminus "Andersdenkender", jedenfalls so wie ich ihn verstehe, IMO wenig zu tun.

Allerdings, und das gebe ich zu, ist mir die GL welt ferner als die Hd Welt. Das liegt in der Natur der Sache wenn man aus der letzeren gezwungener Maßen in die erstere gedrückt wird. Aber das hat widerum den Vorteil sich auch in die Hd versetzen zu können. Charly wird es hier ganz ähnlich gehen.

Late


Anyway the wind blows...




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