GL-C@FE.de

Virtuelles Kommunikationsforum für Gebärdensprachnutzer
Aktuelle Zeit: 19.03.2024, 12:02:05





 Ein Mensch ohne Gehör und Stimme - taubstumm?


Gehe zu Seite Vorherige  1, 2
Spitzenmitglied



offline
Aloha Hartmut,

ich weiss nicht mehr so genau, wo ich "deafheid" zum ersten Mal aufgeschnappt habe.
Wahrscheinlich im Buch "Deaf President Now" von Jack Gannon.

Das Buch von Corrie Tijsseling ist niederländisch geschrieben, Bernd hat es
auf deutsch kommentiert. Vielleicht kommt demnächst eine Übersetzung
in englisch oder deutsch.


--
Wir sind die Mundfaulen. Na und? :D



Spitzenmitglied
Benutzeravatar
offline
Nur mal so am Rande nebenbei:
Miir fällt gerade hier auf: Es wird ganz schön oft die "Deaf" verwendet.

Brauchen wir wirklich IN Deutschland ein amerikanisches Wort : DEAF?
Gehts wohl nicht mit einer deutschen Bezeichnung ...? [roll] [shrug]


****~cat



gehörlosenfreak
gehörlosenfreak



offline
Zitat:
Gehts wohl nicht mit einer deutschen Bezeichnung ...?

Anscheinend nicht. Die Verdummungsprozeß, ausländische Fachwörter anzunehmen, weitet sich unaufhaltsam aus.
Heute stand in der Zeitung, dass die Birten (Engländer) kaum Fremdsprachen können und wenn dann Französisch. Deutsch ist nur Rand-Fremdsprache. Aber hierzulande wird Fachwörter auf laufendem Band aus dem Englischen übernommen. Adieu, intelligente deutsche Sprache [crap]
dämlichmax


---
Ich bin taub, ergo bin ich.



Spitzenmitglied
Benutzeravatar
offline
deafmax hat geschrieben:
Anscheinend nicht. Die Verdummungsprozeß, ausländische Fachwörter anzunehmen, weitet sich unaufhaltsam aus.


stimmt, aber da müssten die gl eigentlich nicht mitziehen, [lach]

zu deinem Nick hab ich nix gesagt, [lach] , ist mir im grundegenommen
egal, schau mal wieviel hier als anfangswort "deaf" in ihrem nick
genommen haben...

Mir gehts nur um allg. Bezeichnung der deaf, die gl immer öfter verwenden...


****~cat



Spitzenmitglied



offline
Lukbo,
Tijesseling schreibt genau das gleiche, was ich immer geschrieben habe. Mein 'Taubsein' entspricht "Deafhood". Tijesselings "deafheid" ist anders und ist eine bewusste Neuschoepfung, um auf Apartheid anzuspielen. Nur ein Hollaender wuerde das ersinnen, da ja 'Apartheid' ein hollaendisches/Afrikaans Wort ist.

Noch dazu:
'Deafheid' ist weder englisches noch hollaendisches Wort. Das Suffix '-heid' ist hollaendisch, nicht englisch. Ich fragte einen Hollaender, ob 'deafheid' gutgeformt oder legit in der hollaendischen Sprache sei. Er hat das verneint. Das Fremdwort 'deaf' und das hollaendische '-heid' koennen nicht zusammengekoppelt werden. Es gibt dort ein 'doofheid', genau gleich dem deutschen 'Taubheit' in Wortbildung und Bedeutung. Das bestaetigt wiederum, dass 'deafheid' eine kreative Wortbildung zu dem Zweck, was Corrie Tijesseling meint.

BTW: das hollaendische Wort 'doof' bedeutet nie "dumm". Dass 'doof' gleich 'dumm' bedeutet, kommt nur in Deutschland vor und ist aus der Berliner Mundart uebernommen worden.


Hartmut



Mitglied



offline
Moin Moin!

Möchte zu dieser Debatte kurz Stellung beziehen. Die Versuche, eine "politisch korrekte" Ausdrucksweise einzuführen, erinnern mich an das "Neusprech" aus George Orwells Roman "1984". Ich halte diese Versuche für verkehrt - aus mehreren Gründen.

Zunächst wird der Begriff "stumm" von Hartmut als Unfähigkeit zu kommunizieren definiert (Zitat vom 17.5.2006 "Wir definieren 'stumm' nicht als "unfaehig des Sprechens", sondern als "... des Kommunizierens"."). Mit welchem Recht bzw. Begründung eigentlich? Ich habe mich im Freundeskreis umgehört, ob diese Definition irgendwie "real" ist. Als "stumm" wurde immer nur verstanden, wer nicht seine Stimme benutzen kann, also "laut sprechen" kann. Dieser Zustand kann ja z.B. auch zeitlich begrenzt sein, auf Grund einer Entzündung der Stimmbänder. Keiner der Befragten kam auf die Idee, "stumm" mit "ohne Sprache" gleich zu setzen! Insofern entbehrt die Definition einer gewissen Grundlage.

Um das zu untermauern habe ich in diversen Wörterbüchern nach gesehen. Das Digitialen Wörterbuch der Deutschen Sprache definiert "stumm" z.B. so: "ohne sich lautlich, in Worten zu äußern, ohne zu sprechen, schweigsam". Es geht hier also rein um die akustische Verständigungsweise, nicht um die prinzipielle Kommunikationsfähigkeit. Man kann noch weiter zurück gehen und nach sehen, was im Wörterbuch der Gebrüder Grimm steht (jene mit den Märchen). Dort steht unter "stumm":
Zitat:
der fähigkeit verständlichen redens physisch ermangelnd.


Man kann auch sein eigenes Sprachgefühl befragen und sich den Unterschied zwischen den folgenden Sätzen deutlich machen:

1.) Stumm hörte ich mir die Rede an!

2.) Sprachlos hörte ich mir die Rede an!

Das sind zwei grundsätzlich verschiedene Aussagen, die dort gemacht werden!

Fall 1 meint: Ich hörte mir die Rede an und habe nix dazu gesagt, wahrscheinlich, um die Rede nicht zu stören. Ich blieb einfach still!

Fall 2 meint: Ich hörte mir die Rede an und war so erschrocken, entsetzt, dass mir nicht mehr einfiel, was ich dazu sagen könnte.

Interessant wird es nun, wenn man sich mal anschaut, was "stumm" im Englischen bedeutet. Man findet dann folgendes. Für "stumm" würde ich eigentlich sagen "mute" (kennt man vom Fernseher, die "Mute"-Taste). Es gibt aber noch "silent", "soundless" und ... "dumb", was auch "doof" oder "blöd" heißt.

Umgekehrt kann man "mute" im Englischen manchmal auch mit "sprachlos" übersetzen: Die Redewendung "sprachlos vor Wut" wird im Englischen "he was mute with rage" übersetzt. "Sprachlos" hingegen kann übersetzt werden mit "speechless", "dumbfounded", "aphasic" und eben "mute".

Im Englischen ist das "mute" in "deaf-mute" (taubstumm) vielleicht wirklich gleichbedeutend mit "sprachlos", während im Deutschen "stumm" und "sprachlos" zwei deutlich verschiedene Begriffe sind. Man kann sich also des Eindrucks nicht erwehren, dass hier - da im Allgemeinen und im Bezug auf die "political correctness" ja alles Gute aus Amerika kommt - etwas mehr oder weniger unkritisch übernommen ohne auf die Besonderheiten der deutschen Sprache zu achten.

Stattdessen wird versucht, die Sprache in ein enges Korsett zu schnüren, sie in ein Interpretationsgerüst zu pressen. Damit tut man - meines Erachtens - der Sprache Gewalt an. Gerade Gebärdensprachler, die - völlig zu recht! - auf die Schönheit und den Reichtum der Sprachen hinweisen und auf das Recht pochen, ihre Sprache benutzen zu dürfen, sollten hier vielleicht mehr Toleranz und Fingerspitzengefühl an den Tag legen. Stattdessen wird zwanghaft und wie erörtert unnötigerweise versucht, bestimmte Worte zu umgehen, nur um sich politisch korrekt auszudrücken und mit dem Zeitgeist zu gehen. Die Erörterungen zeigen doch aber auch, dass das Problem oft nicht beim Sprecher liegt. Der redet davon, dass jemand stumm ist und hat dabei die schon im Grimmschen Wörterbuch angegebene Bedeutung im Kopf. Erst beim Zuhörer entsteht die diskriminierende Interpretation, weil dieser - fälschlicherweise - "stumm" mit "sprachlos" und somit "unfähig zur Kommunikation" gleichsetzt. Zeigt sich nicht die Kommunikationsfähigkeit gerade in solchen Situationen, indem man fragt: "Wie meinst Du denn das?" ????

Quintessenz aus meiner Sicht: Das Bemühen um eine politisch korrekte Ausdrucksweise führt zu einer Verarmung und Verballhornung der Sprache und wird uns irgendwann wirklich sprachlos und stumm machen, weil wir nichts mehr sagen können, ohne in ein Fettnäpfchen zu treten.

Zum Schluß möchte ich bezweifeln, dass dieses Bemühen um politisch-korrekte Ausdrucksweise irgendetwas an der Situation von Gehörlosen und Hörbehinderten ändern wird. Es gibt da nämlich den Begriff der Euphemismus-Tretmühle. Ich zitiere:
Zitat:
Sie besagt, dass jeder Euphemismus irgendwann die negative Konnotation seines Vorgängerausdrucks annehmen wird, solange sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht verändern.
Mit anderen Worten: Solange es nicht gelingt, die Menschen über Gehörlosigkeit, Taubheit etc. auzuklären wird sich nichts ändern, egal ob sich Gehörlose nun als "gehörlos", "taubstumm" oder was auch immer bezeichnen. Irgendwann wird auch der Begriff "gehörlos" so negativ besetzt sein wie der Begriff "taubstumm". Ehrlicherweise muß ich gestehen, dass ich genau diese Tendenzen schon beobachte!

Pnin



gehörlosenfreak
gehörlosenfreak



offline
@Pnin, perfektes statement, Danke :) Sehr einleuchtend und aufklärend.
Das zeigt auch einmal wieder, dass es schwierig ist Definitionen aus der andere ins eigene Sprache zu übernehmen (Stumm / mute)

Zitat:
Irgendwann wird auch der Begriff "gehörlos" so negativ besetzt sein wie der Begriff "taubstumm". Ehrlicherweise muß ich gestehen, dass ich genau diese Tendenzen schon beobachte!

Genau deswegen bin ich gegen eine "Taub-Radikalisierung" des Wortes "Stumm". Für mich ist Taubstumm in Ordnung.
Jedoch mit der historische Verständnis wird Taubstumm mit "kommunikationsunfähig" verbunden, weil im Allgemeinen immer noch meistens denkt, dass wer nicht hören kann kann sich geistig nicht (richtig) entwickeln kann und somit sei man kommunikationsunfähig. Wie aber die Definition "Stumm" auseinandergeht zeigt z.B. meine Sichtweise für Taubstummen: Sie sind Menschen, die nicht hören und sprechen, aber kommunizieren können (gebärden, schreiben). Da aber keine eindeutige Definition gibt, distanziere ich mich von diesem Wortgebrauch "stumm" bei Gehörlosen. Eines ist aber sicher: Gehörlosen, die schon nur halbwegs sprechen können ist es diskriminierend, Taubstumm zu bezeichnen. (Ich denke in dem Fall sind wir alle einig)

Und Gehörlos ist eigentlich auch nicht ganz richtig, weil Gehörlosen ja Gehörzeugs in den Ohrbereich haben, aber diese nur nicht funktionieren. Daher kann an deinem Schlusssatz wahres liegen. Naja, malsehen wie diese Dinge seinen Lauf nehmen :)

lg deafmax


---
Ich bin taub, ergo bin ich.



Spitzenmitglied



offline
Wer der Wille sich zu vorstellen, Sprache kann stimmlos vorgehen, psychisch ermangelnd, ist …

@pnin,
ich verstehe schon, dass Leute in deinem hörenden Bekanntenkreis die Bedeutung von ’stumm’ nur auf den Nichtgebrauch der Stimmbänder und Lautsprache beschränkt wissen und daher das Wort nicht auf den Nichtgebrauch der Hände und Gebärdensprache ausweiten. Es ist auch kein Wunder, dass in deutschen Wörterbüchern nur die audistischen Definitionen von Nichtgebrauch des Sprechens/der Lautsprache oder der Stimmbänder und als Synonyme ’lautlos’, ‘schweigend’ und ‘still’ stehen. Aber es steht dort auch ’Sprachlosigkeit’ als Synonym für ’Stummheit’. Auch bei den Gebrüdern Grimm! (“psychisch redeunfähig”, “sprachlos vor Erregung”).

Diese Haltung rührt auch daher, dass hörende Leute gewöhnlich sich von “Sprache” nur als “Lautsprache” und diese als das Hauptmedium der Kommunikation vorstellen. Im Unterbewusstsein denken sie auch, dass alle nicht dumme Menschen eine Sprache haben müssten. Daher verstehen sie ’sprachlos’ nur im übertragenen Sinn von “entsetzt”, nicht wörtlich als “einer Sprache nicht habend”. Sie kennen halt nichts anders. Also sie beschränken ’Sprache’ semantisch nur auf “Lautsprache”. Oft wird sogar ’Sprache’ synonymisch statt ’Sprechen’ gesetzt. Gebärdende taube Menschen sieht man ja nur sehr selten. Wenn Hörende dann diese sehen, sprechen sie von ’gestikulieren’. Oralistische Pädagogen und Mediziner traten dann auf und behaupteten als “Experten”, dass die Sprache der Hände (oder “Sprache der Taubstummen”) keine Sprache sei und dass sie weiterhin stumm seien und führten den Begriff ’taubstumm’ ein.

Also ist die semantische Einschränkung von ’Sprache’, ‘stumm’ auf “Lautsprache” und auf Stimme und Gehör oder gar “Sprache gleich Sprechen” eine Reflektion des noch unaufgeklärten Wissens vieler Benutzer deutscher Sprache. Es darf geändert werden und zwar in die Richtung, “Als Sprache gilt auch Gebärdensprache”, “GS wird auch gesprochen”, “Kommunikation ist wichtiger als (vokales) Sprechen” und zuletzt “’stumm’, ‘schweigen’ und ‘sprachlos’ betreffen auch GS” usw. Sprachen ändern sich fortlaufend, folgend dem Geist der Zeit. Diese Wandlung des Denkens oder der Mentalität ist wichtig für die Integration und Emanzipation tauber Menschen in die Gesellschaft. Das gleich abfällig als Politisch-Korrektsein abzutun, lässt sich auf Unwillen, diese Änderung der Mentalität zu fördern, vermuten.

Ich glaube, Pnins Vorwurf von “politisch korrekt” zu verstehen, wenn man an die verschrobenen Umschreibungen denkt. Die “Sprachreform”, die ich aufzeige, sind weit davon entfernt. Es wird keine Umschreibungen vorgeschlagen oder nach Euphemismen der Wörter gesucht, die audistisch gebraucht werden. Es wird nur appelliert, Wörter, wie ’Sprache’, ‘sprechen’, ‘stumm’, ‘schweigen’ usw., nicht mehr zu eng an LS zu binden, sondern generell auch auf GS auszuweiten. Es wird für keine Bedeutungsänderung plädiert. Die Wörter werden schon im erweitertem Sinn gebraucht, wie anzeigt in ”stumm vor Schrecken”, “stumme Zeugen”, dein Satz oben “Stumm hörte ich mir die Rede an”, “sprechende bzw. schweigende Hände” usw. Diese Ausdrücke lassen sich auch für GS anwenden. Nur erlauben wir uns die Wörter im schon praktizierenden erweiterten Sinn häufiger zu verwenden und wir behalten uns das Recht vor, deren semantische Einschränkung auf das Akustische abzulehnen. Diese semantische Loslösung von der Akustik bei diesen Wörtern und sprachlich im abstrakten Sinn zu handeln sind keine Verarmung und Verballhornung der Sprache, sondern Humanisierung. Keine Rede von “Korsettierung der Sprache”, weil ja kein externes Korsett vorgeschlagen wird!

Du hast nur diese eine Grimm’sche Definition herausgeholt. Bei Grimm stehen viele andere Definitionen, die den Nichtgebrauch der GS betreffen können (warum nicht?!). Sogar die von dir eingebrachte sowie auch die moderne von DWDS "ohne sich lautlich, in Worten zu äußern, ohne zu sprechen, schweigsam"! Das Gebärden (nicht die Gebärden) ist auch physisch und ist auch Reden. Die Gebärden werden auch geäussert und sind auch Worte. Damit kann man auch schweigsam sein. Es gibt sogar Leute, die “der fähigkeit der GS physisch ermangeln”. Also nichtgebärdende Hörende sind auch stumm!

Aber absurd bin ich nicht. Da sieht man, wenn man das Augenmerk im allgemeinen Sprachgebrauch zu sehr auf den physischen Vorgang legt, wie unnötig diese Bedeutungseinschränkung ist. Für den allgemeinen Sprachgebrauch soll doch Kommunikation wichtiger als wie man physisch kommuniziert sein. Letztendlich hoffe ich, das Wort ’stumm’ wird langsam obsolet (= nicht mehr zeitgemäss), weil unnütz.

Aber Pnin zeigt auf, dass ’sprachlos’ und ’kommunikationsunfähig’ nicht deckungsgleich in Bedeutung sind, mit dem ich übereinstimme. Man kann ohne Sprache kommunizieren durch Bilder, Gesten und Pantomime, jedoch aber beschränkt. Und ’kommunikationsunfähig’ ist nicht gleich “verblüfft, entsetzt”, aber kann diese Bedeutung erlangen, weil es genauer ist und man leicht an den (momentären) Verlust, irgendwie zu kommunizieren, denken kann. Der Begriff ’sprachlos’ wird auch im Sinne von “einer Sprache nicht habend” von Pädagogen und CI-Ärzten gebraucht (“Möchten Sie nicht, dass Ihre [tauben] Kinder ein sprachloses Leben (oder ein Leben in Stummheit) führen?”, “sprachlos (oder stumm) ins Leben entlassen”, “[…] werden sprachlos, wenn sie weder LS noch GS erwerben.”). Der letzte Beispielsatz beinhaltet die Tatsache, dass taube Kinder deswegen sprachlos werden können, wenn sie einsam unter nichtgebärdenden Hörenden leben und nie GS zu sehen bekommen. Sprachlosigkeit führt zur Kommunikationsunfähigkeit, weil der Gebrauch der Gesten in der audistischen Umgebung sich verkümmern kann. Stumm werden sie auch genannt. In diesem Sinn werden beide Wörter bedeutungsgleich und auch synonimisch zu ’stumm’.

Was die Wörter bedeuten, hängt alles ab vom Sprachgebrauch und der Mentalität der Sprachbenutzer. Ich versuche nur aufzuzeigen, dass das Wort ’stumm’ Assoziationen (= Gedankenverbindungen) mit Sprachlosigkeit, Dummheit und Kommunikationsunfähigkeit hervorruft, natürlich nicht bei jeden. Das entspricht unserer Erfahrungen. Man ist stumm, also “keiner Sprache habend” = sprachlos, also dumm, dann basta, mit ihm kann man nicht kommunizieren, wie Deafmax eben auch sagt. Dies aufgrund der oben beschriebenen Mentalität über Sprache, Sprechen und Kommunikation und der im Unterbewusstsein schwelende Auffassung, dass Sprache nur Lautsprache sei und alle nicht-dumme Menschen sprechen können müssten. Der Ausdruck ’kommunikationsunfähig’ ist relativ neu, folgend der Lenkung der Aufmerksamkeit auf Kommunikation weg von (vokalem) Sprechen.

Einige hörende Users im Taubenschlag-Forum haben dieses emanzipatorische Gedankengut schon zu sich eigen gemacht, was ich sehr begrüsse. Pnin, du siehst die Entwicklung zu pessimistisch an, als du oben von der Euphemismus-Tretmühle schreibst.

Pnin, du kannst dir deinen Ausflug in die englische Sprache sparen. Man braucht mehr Erfahrung in der Sprache, um die semantischen Feinheiten im Gebrauch von ‘mute’, ‘dumb’ und deren Synonymen auszuloten. Nicht nur Definitionen aus den Wörterbuchern herausfischen! Wie du bereits angibst, wird ‘mute’ ähnlich wie ‘stumm’ auch für Sprachlosigkeit, Kommunikationsunfähigkeit und Stille verwendet.



@Deafmax,
Es gilt hervorzuheben,

1. Die Sprache ist nicht nur Lautsprache, sondern auch Gebärdensprache.

2. Kommunikation soll hervorgehoben werden, nicht Sprechfähigkeit.

3. Ob die Sprache mit dem Mund oder mit den Händen ausgeführt wird, soll unwesentlich im allgemeinen Diskurs (= Gedankenaustausch, gutbedachte Gespräche) bleiben und nur erwähnt werden, wenn wesentlich.

4. Taube Menschen sind nicht stumm, auch wenn sie nicht mit dem Mund sprechen können, weil sie kommunizieren können.


Hat man dieses Gedankengut einverleibt, dann werden Vorurteile gegen taube Menschen wegen “Stummheit” abgebaut. Das Wort ’stumm’ wird hoffentlich obsolet, weil man wirklich nie sprachlich stumm ist. Momentär stumm oder sprachlos wird auch für den Nichtgebrauch der GS gelten.

Was ist so radikal in diesen Gedanken? Also wieso “Taub-Radikalisierung” des Begriffs ’stumm’? Das Wort wird bereits übertragen gebraucht, das wir uns zunutze machen.


Hartmut



gehörlosenfreak
gehörlosenfreak



offline
Hartmut,
im allgemeinen heisst stumm nur nichtssagend, still sein, nichts herausbringen.
"Er zeigte stumm auf den Toten und strich sein Hand flach unter den Hals, um zu zeigen, dass ein Toter da liegt"
Also was ist in diesem sinne das Wort "stumm"?

Aus diesem Beispiel meine ich auch dass es bei Gehörlosen dasselbe sein kann. Der Satz ist für mich möglich: "Der Gehörlose ist stumm, er kommuniziert nur in Gebärdensprache"
Nach deiner Definiton ist das nicht möglich.

Was man machen kann ist ein Kompromiss und Bemühung, das Wort zu vermeiden. Ein Beitrag dazu unangenehme Wörter in Vergessenheit zu bringen ist besser als durch Definitionserklärungen zu gerechtfertigen. Da ist es dann schwieriger, unangenehme Wörter zu vermeiden.
Ich verwende "stumm" nur wenn ich ironisch bin :D

Nachsatz:

In www.wissen.de steht:
---------------------------
stumm
stumm [Adj. , o. Steig.] 1 unfähig, einen Laut hervorzubringen 2 wortlos, schweigend; ~es Einverständnis; ~er Diener Gestell zum Aufhängen von Jacke und Hose; Drehscheibe auf dem Tisch für die Schüsseln; der Lautsprecher blieb s.; jmdn. s. machen [ugs.] jmdn. umbringen 3 nicht sprechend; ~e Rolle Rolle, bei der der Schauspieler nichts zu sprechen hat 4 nicht beschriftet; ~e Karte; ~es Schild 5 [Sprachw.; in der Fügung] ~er Laut Laut, der nicht gesprochen wird
---------------------------

Beispiel 5 ist interessant: Wie kann dieser Satz Kommunikationsunfähigkeit interpretieren ;)

Weiteres Beispiel:
http://www.dwds.de/cgi-bin/portalL.pl?search=stumm
dort wird sogar zu Punkt 1 (in der Erklärung) taubstumm erwähnt. Also sprachunfähig ist man nicht, aber wohl sprechunfähig.
...meiner Meinung nach.

Also stumm als kommunikationsunfähig ist genauso "klar und eindeutig" wie das Wort Audismus die noch nirgendwo offiziell zu finden ist :(

Sry wenn ich kritisch bleibe :)


lg deafmax


---
Ich bin taub, ergo bin ich.



Spitzenmitglied



offline
@Deafmax,
vielleicht hast du meine Ausfuehrungen nicht vollkommen begriffen und meinen Gedankengaengen folgen gekonnt.

Das Wort 'stumm' ist ja vieldeutig. Das Wort bedeutet "vokal sprechunfaehig", "still", "schweigend" usw.

In deinem Beispiel "Er zeigte stumm auf den Toten und strich sein Hand flach unter den Hals, um zu zeigen, dass ein Toter da liegt", bedeutet das Wort 'stumm' schlicht "still". (Der Satz hat grammatikalische Fehler, vielleicht hast du falsch abgetippt.).

Jedes Lexikon listet NIE Konnotationen (= Nebenbedeutungen). Du musst erkennen, dass bei Hoerenden, die Sprechunfaehigkeit sehr oft zugleich als "Sprachunfaehigkeit" aufgefasst wird. Hoerende stellen oft vor, dass Sprache nur durchs Sprechen verwirklicht wird (Schrift ist sekundaer (= nebensaechlich), Sprechen ist primaer.).

'Stumm' erhaelt die Nebenbedeutung "sprachlos" oder "sprachunfaehig". Und daraus entsteht die Nebenbedeutung "kommunikationsunfaehig". Du musst zusaetzlich denken, woher die Nebenbedeutung "dumm" kommt. Nichts anderes als aus "sprachlos" und "kommunikationsunfaehig"!

Die Definitionen, die du aus www.wissen.de bringst, betreffen GS auch. Bei Definition 2, man ist auch in GS wortlos und schweigend, und bei Definition 3, man ist auch nicht sprechend in GS, man hat auch eine stumme (nichtgebaerdende) Rolle in einer GS-Theater. Definiton 4, Wenn es GS-Schrift gaebe, gilt "stumme Karte" auch fuer fuer sie. Definition 5 gilt nur fuer Sprachen, die anders geschrieben wird als gesprochen wird. In Englisch und Franzoesisch werden mehr Buchstaben geschrieben als ausgesprochen. Daher werden diese nichtausgesprochenen Buchstaben "stumme Buchstaben" genannt, eigentlich eine dumme Bezeichnung. Sogar Definition 1 kann auf die GS ausgeweitet werden. Es gibt auch die Unfaehigkeit, eine Gebaerde (z.B. man ist zu baff) oder eine Handbewegung auszufuehren. Warum darf das nicht mit 'stumm' bezeichnet werden?!

Die Definitionen, die du und Pnin herausgeholt haben, sind phonozentrisch. "Phonozentrisch" heisst, dass man im Denken den Mittelpunkt stark aufs Hoeren und Akustik legt. Das phonozentrische Denken schraenkt die Moeglichkeiten nur aufs Hoeren und Sprechen ein und liefert Vorurteile gegen uns.


Hartmut



Mitglied



offline
Hartmut, es ist schlechter, ganz schlechter Stil, zu versuchen, jemanden in dieser Art und Weise vorführen, diskreditieren zu wollen. Weder lasse ich mir von Dir vorschreiben, wie ich die Deutsche Sprache zu benutzen habe, noch lasse ich mir von Dir vorschreiben, wann und ob ich auf jedes Geschreibsel zu antworten habe. Ich gebe aber gerne zu, dass es mir schwer fällt, auf Deinen Beitrag vom 4.12.2006 zu antworten (Du hast Dir mit Deiner Antwort damals auch einen Monat Zeit gelassen), ist er doch in meinen Augen eine Aneinanderreihung wortreicher aber sinnleerer Phrasen, der versucht alten Wein in neue Schläuche zu füllen, wodurch er leider nicht schmackhafter wird. Auf die Kernpunkte meiner Kritik (Euphemismus-Tretmühle, das Zwängen der Sprache in das Korsett politischer Korrektheit und die damit verbundene Verarmung der Sprache etc. pp.) bist Du gar nicht eingegangen. Stattdessen machst Du Dich über meine Englisch-Kenntnisse lustig, die Du aber gar nicht beurteilen kannst. Sie gehen sicherlich über die bloße Benutzung einschlägiger Wörterbücher hinaus.

Schönen Tag noch

Pnin



Spitzenmitglied



offline
ich nenne mal nur "taub".

"Taub" ist einfach und leicht und logisch für mich,
wenn ich die Leute anspreche,
so dass ich taub bin.

Die Leute verstehen mich prima,
die sich auch wissen,
was taub ist.

Und sie holen einfach so das Blatt und die Stifte,
die mich aber nicht gefragt haben,
ob ich das Papier und die Stifte brauche.

Wer es schon "gehörlos" fand,
finde ich es dann echt blöd,
warum dieses Wort sich geändert sein wird.
Kein Wunder, dass die Leute sich nicht mal verstehen,
wie man den Unterschied über Taub, Taubstumm, Gehörlos oder
so weiterhin zu erkennen hat.

Mir wäre es lieber gewesen,
dass es nur 2 Art der Hörbehinderung gegeben sein wird:
Taub und Schwerhörig.
Fertig & Basta!

Und außerdem denke ich es,
dass die Gehörlosen sich nicht so gut und verständlich "gehörlos" sprechen.


°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°^°
Kommunikation ist Kommunikation



Rote Karte!
Rote Karte!



offline
interessant: http://hewritesilent.wordpress.com/2012 ... efinition/



Spitzenmitglied



offline
Mach nichts!
Ich bin sowieso taubstumm, aber nicht still und auch nicht dumm!!!!


BOOOOOOOOORN TOOOOOOOOO SIGN!!!!!!!!



Rote Karte!
Rote Karte!



offline
Zitat:
Iyascia: Ich bin sowieso taubstumm,

@liebes Freundchen,
taubstumm - das bist DU überhaupt nicht!
Du bist NICHT hilflos.
Du trägst Hörgerät - ergo bist DU schwerhörig!
Du hast einen gut bezahlten Beruf in der hd Arbeitswelt.
Bei "taubstumm" ist das nicht der Fall!
____
@all,
weiter zu:
http://hewritesilent.wordpress.com/2012 ... efinition/

Die Frau-Bloggerin augen...-blog ist schwerhörig.
Gehörlos - das trifft bei ihr gar nicht zu:
Sie ist sehr selbstständig.
Sie braucht keine Gebärdensprache und keinen Dolmetscher(?).
Und sie zeigt es gern über den "Graben" auf die andere Seite:
Doch viele Gehörlose hätten das Lippenlesen nicht gelernt und seien allein völlig hilflos bei Gefahr.
Die eigene Bedeutung doppelt verstärken, das kann sie gut. :-)
____



Rote Karte!
Rote Karte!



offline
http://meinaugenschmaus.blogspot.de/201 ... no-go.html

was meint ihr? hat sie recht?



Spitzenmitglied



offline
@Puff Daddy,
sag doch mal was du darueber denkst. Kannst du nicht einml ueber das Thema oder deine Links kommentieren?


Hartmut



Rote Karte!
Rote Karte!



offline
meine meinung so. ich gebe hewritesilent recht was er schreibt.

taubstumm bedeutet kann nicht hören und kann nicht sprechen. es gibt solche leute und kenne jemand nicht hören und sprechen kann und keine kommunikation mit hörende. also richtig und nicht falsch.
ich finde gehörlos ist besser, weil kann nicht hören und sprechen kann aber kommunikation da.
aber taub ist falsch und passt nicht meine meinung so weil taub viele verschiedene möglichkeit gibt. z.b. ein arzt sagt mir was, ich sage was ich bin taub. er sagt dann wo genau taub? ich antworte mein ohr. er ach so. es kann passieren wenn ich keine kommunikation z.b. krankenwagen wie schwache konnuikation. wenn wort taub z.b. er untersucht dann wo taube ist z.b. bein, arm, usw... schon ist missverständniss perfekt.



Spitzenmitglied



offline
Hallo Puff Daddy

"gehörlos" mein laut sprechen Problem weil Hören vertanden nicht. Ich spreche immer nochmal.......
"Taub" einmal laut sprechen und Hören verstanden sofort.



Mitglied
Benutzeravatar
offline
@Puff Daddy: nein, man kann nicht mißverstanden werden: ich bin taub => ich bin gehörlos. Ich habe taube (z.B.) Finger => taube Finger, oder typische Stil von Gehörlosen: Finger taub. Da kann man gar nicht mißverstanden werden!


Im Moment pennen 26 Mill. Leute, 28 Mill. essen, 13 Mill. verlieben sich und 29 Mill. sexeln! Aber nur 1 arme Sau liest vor Langeweile diese Message!




 Ein Mensch ohne Gehör und Stimme - taubstumm?





Suche nach:
Gehe zu:  
cron




Kontakt: info(at)gl-cafe.de

Powered by phpBB © 2000, 2002, 2005, 2007 phpBB Group
Deutsche Übersetzung durch phpBB.de