Hallo Deafneo, ich habe heute mal zusammen gestellt (§), warum ein GL und auch gl Eltern mit hörenden Kindern Anspruch auf einen Dolmetscher beim Arzt hat.
Es ist sehr viel, aber ich sehe, dass viele ihre Rechte nicht kennen und so veröffentliche ich es mal hier, damit sich das jeder ausdrucken kann. Und Dolmetscher können auch gleich sehen wie sie abrechnen und mit welcher Begründung!
Man müsste es nur an die Krankenkasse senden.
Grundgesetz
Im Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ist geregelt, dass niemand wegen seiner Sprache benachteiligt oder bevorzugt und aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden darf.
"Niemand darf wegen […] seiner Sprache […] benachteiligt oder bevorzugt werden.
Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." (Artikel 3, Absatz 3 GG)
In diesem Gesetz wird sowohl auf die Sprache, als auch auf die Behinderung eingegangen und kann somit als Grundlage für jeden Einsatz einer Gebärdensprachdolmetscherin herangezogen werden.
§ 57 SGB IX
Förderung der Verständigung
Bedürfen hörbehinderte Menschen oder behinderte Menschen mit besonders starker Beeinträchtigung der Sprachfähigkeit auf Grund ihrer Behinderung zur Verständigung mit der Umwelt aus besonderem Anlass der Hilfe Anderer, werden ihnen die erforderlichen Hilfen zur Verfügung gestellt oder angemessene Aufwendungen hierfür erstattet.
Der Besuch des Kinderarztes ist unbestritten in ganz Deutschland ein besonderer Anlass, nicht relevant ist es, ob das Kind selbst auch hörbehindert ist. Die Erziehungsberechtigten, in diesem Fall gehörlose Eltern, müssen in vollem Umfang über Behandlungen, Krankheit, Impfung und alles was auch mit hörenden Patienten oder deren Erziehungsberechtigten besprochen wird, aufgeklärt werden. Aufklärungspflicht der Ärzte! Jeder Arzt, der keine Aufklärung beim Erziehungsberechtigten oder anderer autorisierter Personen vornimmt, macht sich strafbar oder handelt zumindest grob fahrlässig.
Krankenhausvertrag & Aufklärungspflicht
Für den im Krankenhaus oder in der Praxis tätigen Arzt ist der wichtigste Punkt, der ihm rechtliche Schwierigkeiten bereiten kann, die Frage der Aufklärung und des Behandlungsfehlers:
Sowohl der Klinikarzt als auch niedergelassene Kollegen werden auf jeden Fall während ihrer beruflichen Tätigkeit mehr oder weniger häufig mit juristischen Problemen konfrontiert werden. Das Spektrum reicht hier von Vertragsproblemen im Krankenhaus– oder Behandlungsvertrag bis zu Schmerzensgeldansprüchen als Folge von Kunstfehlern.
Ein grundlegendes Problem der deutschen Gesetze besteht darin, dass jeder ärztliche Eingriff – obwohl dieser mit dem Ziel der Schmerzlinderung oder gar Heilung des Patienten durchgeführt wird – juristisch als Körperverletzung geahndet wird. Die Rechtswidrigkeit dieser Handlung wird nur durch die explizite und konkrete Zustimmung des Patienten (oder hier des Erziehungsberechtigten) zu der jeweiligen Einzelmaßnahme beseitigt.
Als unverzichtbare Maßnahme muss deshalb vor jedem Eingriff ein Aufklärungsgespräch stattfinden, indem der Patient (oder die Erziehungsberechtigten für ihre Kinder) über mögliche Risiken und Komplikationen aufgeklärt wird.
In diesem Rahmen sollen deshalb sowohl Grundzüge des Krankenhausvertrage als auch die wichtigen Aspekte der Aufklärung dargestellt werden.
Aufklärung
Die Aufklärungspflicht erstreckt sich über verschiedene Punkte. Schon bei den Maßnahmen zur Diagnosefindung als auch der anschließenden Therapie muss der Patient über Risiken und Komplikationen der geplanten Prozeduren bescheid wissen. Bei der Therapie wird erwartet, dass der Patient darüber informiert wird, in welchen Situationen er Vorsicht walten lassen muss, wann und wodurch er sich in erhöhter Gefahr befindet und wie er selbst die Heilung fördern kann.
[ Grundsatzentscheidung BGH vom 14.11.1995NJW 1996, 777-779]
Was die erforderlichen Modalitäten der Aufklärung betrifft, lassen sich einige Kernpunkte zusammenfassen:
• Formfreiheit: Grundsätzlich wird ein mündliches Aufklärungsgespräch empfohlen, bei dem der Patient alle Unklarheiten durch Nachfragen beseitigen kann. Die Pflicht des Arztes besteht darin, sich bei der Aufklärung unter Berücksichtigung des Auffassungsvermögens des Patienten verständlich auszudrücken und die grundlegenden Schritte der Behandlung verständlich zu erklären. Nach gängiger Meinung genügt es nicht, einem Patienten einen Aufklärungsbogen zur Unterschrift vorzulegen !
• Persönlich: Die Aufklärung muss durch ärztliches qualifiziertes Fachpersonal erfolgen
• Wahrheit: Alle Details wie statistische Häufigkeit von Risiken und Komplikationen müssen wahrheitsgemäß angesprochen werden, aber die psychische Situation des Patienten berücksichtigen.
• Aufklärung zu folgenden Punkten:
o Diagnose
o Therapie
o Risiken
o Alternative Behandlungsmöglichkeiten
• Zeitpunkt: Das Aufklärungsgespräch muss zeitlich in der Weise erfolgen, dass der Patient sich seine Einwilligung in Ruhe überlegen kann und falls gewünscht noch Zeit hat, sich anderweitig zu informieren und letzte Einzelfragen zu klären. Als Richtlinie wird bei großen geplanten Eingriffen eine Aufklärung mindestens 2 Tage vor der Behandlung empfohlen.
• Dokumentation: Nach dem Gespräch sollte eine Notiz in der Krankenakte erfolgen.
• Verstöße: Wird ein Patient nicht ordnungsgemäß aufgeklärt, so wird die Einwilligung des Patienten unwirksam und die Behandlung damit rechtswidrig
§ 17 SGBI Ausführung der Sozialleistungen
(1) Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß
1. jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält,
2. die zur Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen,
3. der Zugang zu den Sozialleistungen möglichst einfach gestaltet wird, insbesondere durch Verwendung allgemein verständlicher Antragsvordrucke und
4. ihre Verwaltungs- und Dienstgebäude frei von Zugangs- und Kommunikationsbarrieren sind und Sozialleistungen in barrierefreien Räumen und Anlagen ausgeführt werden.
(2) Hörbehinderte Menschen haben das Recht, bei der Ausführung von Sozialleistungen, insbesondere auch bei ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen, Gebärdensprache zu verwenden. Die für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger sind verpflichtet, die durch die Verwendung der Gebärdensprache und anderer Kommunikationshilfen entstehenden Kosten zu tragen.
Im § 17 Absatz 2 SGB I und im § 19 Absatz 1-2 SGB X wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass hörbehinderte Menschen in Gebärdensprache kommunizieren dürfen, da die Deutsche Gebärdensprache eine Amtssprache ist, und dass sie ein Recht auf einen Dolmetscher haben. Ohne die Inanspruchnahme eines Dolmetschers können gehörlose Eltern nicht ihren Pflichten als Erziehungsberechtigte nachkommen! Sie haben ein Recht auf Kommunikation mit dem Arzt ihrer Kinder.
Die Aufwendungen für die Dolmetscherleistungen sind von dem jeweiligen zuständigen Leistungsträger (hier Krankenkasse) zu tragen. Gleichzeitig wird im Absatz 2 des § 19 SGB X auf die Bezahlung einer Dolmetscherin eingegangen indem auf das JVEG verwiesen wird.
Absatz 2 des § 19 SGB X
(2) Werden bei einer Behörde in einer fremden Sprache Anträge gestellt oder Eingaben, Belege, Urkunden oder sonstige Dokumente vorgelegt, soll die Behörde unverzüglich die Vorlage einer Übersetzung innerhalb einer von ihr zu setzenden angemessenen Frist verlangen, sofern sie nicht in der Lage ist, die Anträge oder Dokumente zu verstehen. In begründeten Fällen kann die Vorlage einer beglaubigten oder von einem öffentlich bestellten oder beeidigten Dolmetscher oder Übersetzer angefertigten Übersetzung verlangt werden. Wird die verlangte Übersetzung nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgelegt, kann die Behörde eine Übersetzung beschaffen und hierfür Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen. Falls die Behörde Dolmetscher oder Übersetzer herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Vergütung; mit Dolmetschern oder Übersetzern kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.
§9 Abs. 3 JVEG
(3) 1Das Honorar des Dolmetschers beträgt für jede Stunde 55 Euro.
Liebe Grüße
Karin
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