Koalition einigt sich auf "Gleichbehandlungsgesetz"
02. Mai 2006
Die große Koalition hat sich nach langem Streit über das Antidiskriminierungsgesetz (ADG), das künftig Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz heißen wird, geeinigt. Das Gesetz folge weitgehend dem ursprünglichen Entwurf der rot-grünen Bundesregierung und gehe über die EU-Richtlinien hinaus, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) am Dienstag in Berlin.
Sie sei nun zuversichtlich, daß das Gesetz am 1. August dieses Jahres in Kraft treten werde. Der Europäische Gerichtshof hatte Deutschland verurteilt, weil entsprechende EU-Richtlinien nicht als Gesetz verwirklicht wurden. "Ich gehe nicht mehr davon aus, daß wir an die EU Strafe zahlen müssen", sagte Frau Zypries.
Klagerecht für Betriebsräte und Gewerkschaften
Nach dem Gesetz darf im Arbeits- und Geschäftsleben niemand wegen seiner ethnischen Herkunft oder Rasse, seines Geschlechtes oder Alters, seiner Behinderung, sexuellen Orientierung, Religion oder Weltanschauung benachteiligt werden. Das Gesetz geht im Zivilrecht damit über die EU-Vorgaben hinaus, die hier nur auf die Merkmale Rasse, ethnische Herkunft und Geschlechtszugehörigkeit beschränkt sind. "Es ist klar, daß es für die Union schwieriger ist, Lesben und Schwulen gleich zu behandeln als etwa Behinderte", sagte Frau Zypries. Die unionsgeführten Länder hatten im Sommer vergangenen Jahres das rot-grüne Gesetzesvorhaben im Bundesrat gestoppt und eine weniger drastische Regelung gefordert, die sich an den EU-Richtlinien orientieren sollte.
Die SPD hat sich auch mit ihrer Forderung durchgesetzt, daß künftig sogenannte Antidiskriminierungsverbände - etwa Gewerkschaften oder Betriebsräte - Arbeitnehmer vertreten oder an sie abgetretene Ansprüche der Arbeitnehmer in eigenem Namen einklagen können. Auf die Zustimmung des Beschäftigten kommt es dabei nicht an. Die EU-Richtlinien sehen dieses Verbandsklagerecht nicht vor. Vor allem die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände warnte vor unkalkulierbaren Prozeßrisiken. Als Erfolg für die Union verbuchte Zypries, daß sich die Kirchen weiterhin darauf berufen könnten, daß sie Menschen mit anderer Religion nicht einstellen müßten. Zudem werde die Antidiskriminierungsstelle beim unionsgeführten Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angesiedelt.
Das ADG war einer der schwierigsten Punkte in den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen, und der Kompromiß ließ für beide Seiten bisher Raum für Interpretationen. Deutschland sei zwar ein tolerantes Land, doch es gebe immer noch Menschen, die diskriminiert würden. Solche Fälle sollten künftig durch das Gesetz unterbleiben, sagte Ministerin Zypries zu der Vereinbarung von Union und SPD, auf die sie sich in der Nacht zum Dienstag im Koalitionsausschuß geeinigt hatten.
Quelle:
http://www.faz.net/s/Rub6B15D93102534C72B5CF6E7956148562/Doc~EB86878D602834E049233A4C048062D13~ATpl~Ecommon~Scontent.html