bengie
ich antworte dir auf einige Punkte, die mir noch aufgefallen sind (auf alles kann ich gar nicht eingehen, wo nehmt ihr bloß eure Zeit her?):
Zitat:
Ich habe geschrieben: Keiner dieser Menschen wird gebärdende Gehörlose, denen er begegnet, als Untermenschen ansehen. Das empfinde ich als eine völlig überzogene Dramatisierung.
Du hast geantwortet: Wie willst du das Verhalten der Pädagogen und der Oralisten damals und heute erklären, die mit allen Mitteln versuchen, taube Menschen das Sprechen und das Hören beizubringen. "Subhuman" heißt auch sowie "Minusmensch", "Mensch, dem etwas fehlt" oder "unvollständiger Mensch".
Damals ja. Aber du kannst es mit heute nicht gleichsetzen. Es sind so viele Bereiche, die ihr ansprecht und jedem Bereich kann man nur gerecht werden, wenn man sich genau informiert.
Zitat:
Kannst du vielleicht begründen oder erklären, warum die Entscheidung für CI nicht audistisch sein soll und nichts mit dem Audismus zu tun haben soll? Nur weil Eltern nicht damit belastet werden sollen?
Wenn Audismus ein wertneutraler Begriff wäre, dann könnte ich ihm zustimmen. Dann wäre es eine reine Beschreibung, dass Hören für Menschen im allgemeinen wichtig ist. Aber Audismus ist ganz offensichtlich kein wertneutraler Begriff. Er beinhaltet, dass die Eltern das Hören
überbewerten und das sei nicht gut.
Diese negative Einschätzung finde ich weder richtig noch hilfreich.
Natürlich wollen die Eltern, dass ihr Kind hört, genau wie sie. Du willst sicher auch, dass dein Kind sehend geboren wird. Was ist daran verwerflich?
Was würdest du denken, wenn dein Kind blind geboren wird und da steht jemand vom Blindenverein an der Tür und klärt dich freundlich darüber auf, dass das Sehen ja gar nicht so wichtig sei, dein Kind kann doch später wunderbar über Brailleschrift kommunizieren. (Das Beispiel hinkt, denn eine Gehörlosigkeit ist wegen der Beeinträchtigung der frühkindlichen Kommunikation die einschneidendere Behinderung). Man kann meiner Meinung nach Eltern nur erreichen, wenn man ihren Wunsch – das Kind soll hören – akzeptiert und Verständnis hat für ihre Trauer. Dann erst kann man eine Bereitschaft für Gebärdensprache wecken. Wäre interessant, mal eine Meinung von Fachleuten – wie GIB ZEIT - einzuholen. Erkundige dich dort mal.
Beim Blindenbeispiel eben wirst du bestimmt wieder gedacht haben - Das kann man nicht vergleichen:
Zitat:
Wie berenice aber richtig festgestellt hat, lässt sich die
Taubengemeinschaft total von anderen Behindertengruppen unterschei-
den.
Stimmt. Nur verstehe ich nicht, warum dieses Argument die Audismus-Theorie untermauern soll. Gehörlose haben eine eigene Sprache, eine eigene Kultur, ein Wir-Gefühl… Das ist aber ein großes PLUS! In dieser Hinsicht geht es euch besser als anderen Behindertengruppen. Durch eure Kultur und Sprache seid ihr auch viel attraktiver für Hörende als zum Beispiel Schwerhörige oder Körperbehinderte. Über Hörgeräte, Hörschläuche und Rollstühle kann man nun mal keine spannenden Kofos oder Festivals machen. Gute Zeitungsartikel wie vor einem Jahr über den „Gehörlosenkarneval“ in Essen hätte es vermutlich niemals über eine ähnliche Veranstaltung von Schwerhörigen oder Blinden gegeben. Ihr seid interessant, nicht nur für die Presse, auch für die hörenden Mädels (
„Ist der süüß…!“ fast hättest du vor einiger Zeit mehrere hörende Girlies am Hals gehabt). Also wirklich kein Grund zum Traurigsein
Zitat:
Haben Rollstuhlfahrer auch wenig Zugang zur Bildung aufgrund der Überbewertung des Ganges? ..... Nur 1% aller Tauben wurden schulisch und pädagogisch richtig gefordert, also mit der Gebärdensprache in der Schule. Ist das auch bei Rollstuhlfahrer zu beobachten
Ja, in dieser Beziehung gibt es Nachteile für die Gehörlosen, da gebe ich dir Recht - obwohl nicht für alle Gehörlose die Gebärdensprache die Wunschsprache ist und deine Prozentangabe wahrscheinlich die Entwicklungsländer betrifft.
Zitat:
Ich sehe auch, dass die Taubheit in der Gesellschaft viel niedriger Wert hat als die Gehbehinderung. Nicht umsonst ist Schäuble heute ein Minister.
Wie kommst du darauf? Politiker sind seltene „Alphatiere“ – d.h. nur ganz wenige Menschen eignen sich für diesen Job. Die Gehörlosengemeinschaft ist schon sehr klein. Es gibt aber auch unter ihnen Persönlichkeiten, die das Zeug dazu haben. Ulrich Hase ist für mich ein waschechter Politiker, Hans-Uwe Feige war z.B. Mitglied der Bundesversammlung. Das Schäuble-Beispiel zählt nicht. Er war ja schon vor dem Attentat Minister.
Du schreibst an Pnin:
Zitat:
Du versuchst, die audistische Fragerei der Hörenden zu verharmlosen. Der Unterschied ist, dass die Intelligenz bei Rollstuhlfahrer nicht wie bei Taube infrage gestellt wird.
Ich glaube, das ist ein Knackpunkt bei der ganzen Sache. Du hast immer im Hinterkopf, Hörende könnten Gehörlose als dumm einschätzen. Das ist interessant. Ich habe oben versucht zu erklären, dass ihr im Gegenteil sehr geschätzt werdet. Eigentlich eine Überbewertung des Taubseins
Nein, unvoreingenommene Hörende stellen die Intelligenz bei Gehörlosen nicht in Frage. Ich habe es jedenfalls noch nicht erlebt.
Zitat:
Ich meine, dass man auch gegen die Gleichstellung der tauben und hörenden Menschen sei, wenn man die Definition des Audismusbegriffes ablehnt. Die Definition sagt ganz klar über die Gleichstellung. Wie geht das, pro Gleichstellung und trotzdem contra
Audismusbegriff? Kannst du es vielleicht erklären?
Der Audismusbegriff vereinfacht in meinen Augen. Er reduziert die Ungleichstellung (die ich auch sehe) auf einen einzigen Faktor (den Stellenwert des Hörens) und bewertet diesen negativ. Es gibt aber viele Faktoren, die für die unterschiedlichen Chancen Hörender und Gehörloser verantwortlich sind, die man dann aus den Augen verliert. Man sieht nicht klarer, sondern einfacher.